Klar gibt es ruhige Ecken in New York! Eine Kategorie dieser Orte liegt so nahe, dass man glatt erst mal nicht drauf kommt: Friedhöfe. Nicht unbedingt die paar winzigen paar Fleckchen in Manhattan (die gerne mal von lauten Baustellen umgeben sind), sondern die “richtigen” Friedhöfe, die sich wie stille Parks ausdehnen. Zum Beispiel der Green-Wood Cemetery in Brooklyn. Die Bildergalerie über diesem Text zeigt nur einen kleinen Ausschnitt der Schönheit, die euch dort erwartet.

Auf hügeligen 478 acre (rund 193 Hektar oder auch knapp zwei Quadratkilometern) liegen nicht nur so manche Berühmtheiten, sondern einige von ihnen hätten vom Grab aus auch eine sehr schöne Aussicht auf Manhattan, wenn sie denn noch lebten. An ihrer Statt dürfen Hinterbliebene ebenso wie Spaziergängerinnen sich an Aussicht, Natur und Stille erfreuen. Auch wenn dieser Hügel in Brooklyn einmal alles andere als still war.

Green-Wood Battle Hill Brooklyn

Am 24. August 1776 kämpften hier Briten gegen Amerikaner, denn der höchste Punkt Brooklyns war ein Schlachtfeld im Battle of Long Island (manche nennen ihn auch den Battle of Brooklyn). Anderthalb Monate zuvor hatten die Vereinigten Staaten ihre Unabhängigkeit erklärt, und dies war die erste große Schlacht danach. Die Briten gewannen.

Ein paar Jahrzehnte später, nämlich 1838, entstand dort ein Friedhof – ironischerweise gestaltet wie ein englischer Park. Dass ich mich dort heutzutage wirklich (fast) wie in einem Park bewege, obwohl nach wie vor dort Menschen begraben werden, fällt bei den einen auf Begeisterung und bei den anderen auf blankes Unverständnis. Herumflanieren zwischen Toten? In Green-Wood führt das glatt auf den Pfad historischer Tradition.

Baumbestandene Hügel, von deren Gipfeln man hier und da auf den New Yorker Hafen oder auf Manhattan blickt, geschwungene Pfade und mehrere Teiche machten den Friedhof Green-Wood zu einer der beliebtesten Touristenattraktionen im ganzen Land. Der Sage nach zogen in den 1860er Jahren nur die Niagarafälle mehr Reisende an. Mitte dese 19. Jahrhunderts kamen eine halbe Million Menschen im Jahr nach Green-Wood, und längst nicht nur, um Angehörige zu ehren.

Der Friedhof gilt sogar als Inspiration dafür, in New York “richtige” öffentliche Parks anzulegen – und deren Design ebenso naturalistisch anzulegen wie auf dem Friedhof. Der erste Teil des Central Parks wurde übrigens 1858 eröffnet.

Auf dem Green-Wood Cemetery kommen zur Landschaft aber eben die Gräber hinzu, und das bringt einen anderen Repekt vor der Landschaft mit sich. Niemand breitet hier eine Decke zum Sonnenbaden aus oder joggt, keine Hunde laufen Stöckchen hinterher und es krakeelt auch niemand herum. Na ja, fast. In den Türmchen des Portals am Haupteingang nisten vor Jahrzehnten ausgebüchste Mönchssittiche, die den lieben langen Tag vor sich hinschimpfen. Weit zu hören ist diese Kolonie zum Glück nicht.

Green-Wood beherbergt 150 Jahre alte Bäume und junge Büsche, ein Nebeneinander aus verwitterten Grabsteinen, Mausoleen und frischen Gruften, und weil der Friedhof so groß ist, dürfen Angehörige – sehr langsam – mit dem Auto zu Besuch kommen. Gerade als ich eines der schönsten landschaftlichen Elemente des Friedhofs durchlaufe, die Weeping Beeches (Hängebuchen), höre ich eine genervte Stimme.

Green-Wood Weeping Beech

“This gotta be the section”, moppert eine Frau, und ihre Begleiterin guckt skeptisch. Es ist nicht unbedingt leicht, ein Grab wiederzufinden. Oder das Auto.

Meine heutige Suche hat keinen Erfolg. Ich wollte das Grab von Mary Pine besuchen, der letzten Frau, die als Sklavin in New York starb. Aber ich kann es nicht finden, nun, ein guter Grund für einen weiteren Spaziergang. Auch diesmal komme ich trotzdem an den Gräber mehrerer anderer berühmter New Yorkerinnen und New Yorker vorbei.

Am Ufer eines Teiches liegt zum Beispiel Do-Hum-Me (1825-1843). Die Sauk- (auch Sac-) Häuptlingstochter war 1843 mit ihrem Vater aus dem Westen für Friedensverhandlungen nach Princeton gereist und hatte dort den Vertreter eines anderen Ureinwohnervolkes geheiratet. Die spätere Zirkuslegende P. T. Barnum holte beide nach Manhattan, damit sie in seinem Variete namens American Museum Stammestänze aufführten. Do-Hum-Me wurde damit im Nu zum Star, doch nur wenige Monate später starb sie an einer von Europäern eingeschleppten Krankheit (möglicherweise der Grippe). Sie wurde in ihrem Hochzeitskleid begraben.

Green-Wood Do-Hum-Me

Nachdem ich einen Hügel hinaufgestiegen bin, fällt mir ein mit Steinen – Grabsteinen – markierter Kreis um eine Gestalt auf. Da liegt die Familie von Horace Greeley (1811-1872). In der Mitte thront ein Denkmal des Mannes, der sich vehement gegen die Sklaverei einsetzte und als Herausgeber der Zeitung “New York Tribune” in die Geschichte einging. Sie setzte Maßstäbe im seriösen Journalismus, zudem erschienen dort Leitartikel zu gesellschaftlichen Fragen, unter anderem von Karl Marx und Margaret Fuller. Das Gesicht von Greeleys Statue auf dem Grab schaut nicht etwa zum Pfad, sondern über das Tal.

Green-Wood Horace Greeley

Wie auf den meisten New Yorker Friedhöfen lese ich auch in Green-Wood viele deutschklingende Namen. Einer ließ mich schmunzeln: Für Deutschsprechende ergibt er mehrfach Sinn.

Green-Wood Engel

Green-Wood Cemetery, zwischen Sunset Park und Park Slope (Brooklyn), Details und Anfahrtmöglichkeiten auf der Website.

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