In New York kann man deutsche Lebkuchen kaufen – eine kleine Blechdose für 25 Dollar, oder, mit etwas Glück, Herzen-Sterne-Brezel beim amerikanischen Aldi. Ich öffne lieber meine eigene Backstube – und starte den
1. Moment: New York German-American Christmas Cookie Bake-Off
Die Idee: Wir backen Weihnachtskekse, Deutschland vs. USA, also typische Plätzchen der Saison aus beiden Ländern.
Dazu brauche ich …
… als erstes eine Vorstellung davon, welche Weihnachtsplätzchen typisch Deutsch und typisch amerikanisch sind. Für Letzteres brauche ich nicht lange zu suchen – alle New Yorker Freundinnen sagen als Erstes: Christmas Sugar Cookies. Das kommt mir gelegen; mal Abwechslung nach meinen ganzen Gingerbread-Geschichten (hier und auch hier und … ihr findet sie schon). Außerdem werde ich bald noch feststellen, dass das amerikanische Lebkuchen-Pendant in Deutschland wohl kaum als “echt” durchgehen würde.
Und was sind typisch deutsche Weihnachtsplätzchen? Das frage ich auf Twitter, und da kommen jede Menge Vorschläge, unter anderem vom Deutschen Haus an der NYU – also wissenschaftlich fundiert. Lebkuchen kommt oft vor, Zimtsterne auch, also nehme ich diese beiden Arten hinzu und suche mir drei Rezepte. Dabei stoße ich sogleich auf eine Zutat, die mir ganz schön deutsch erscheint.
Für Lebkuchen komme ich offenbar um Pottasche nicht herum. Au weia, denke ich, schon im deutschen Rezept steht, dass man dafür womöglich in die Apotheke muss. Ich schlage nach, wie das auf Englisch heißt und stelle mir kurz vor, wie die Trulla in der riesigen Drogerie um die Ecke gucken würde – und versuche es erst mal im Fachhandel.
Schaller & Weber ist ein Überbleibsel in der ehemaligen Deutschen-Hochburg Yorkville (Upper East Side, Manhattan). Seit 1937 hält der Lebensmittelladen dort aus, verkauft Bratwurst und Gulasch und Fertigmischungen für Knödel und, wie ich bei meinem Besuch entdecke, auch Fertigmischungen für Weihnachtsplätzchen von einer bekannten deutschen Backmarke. Aber ich bin ja auf einer Mission. Und Pottasche finde ich hier sofort, ebenso wie eine Lebkuchengewürzmischung.
Eine andere Zutat habe ich aber völlig unterschätzt, wie mir nach dem Besuch im sechsten Supermarkt klar wird.
Nein, das ist kein Hirschhornsalz oder so was. Das ist das, was gemahlenen Mandeln in New York am nächsten kommt. Mandeln gibt es in den USA zwar in Hülle und Fülle – ganz, gehackt, als Stifte oder Blättchen. Aber nicht gemahlen. Ich sehne den Fleischwolf meiner Oma herbei.
Zu Hilfe kommt mir aber nicht Omas Geist, sondern ein anderer: Pseudogesundheitstrendsetting. Oder auch die Marktmacht der Leute, die überhaupt keine Glutenunverträglichkeit haben, aber aus unerfindlichen Gründen meinen, es sei total gesund für sie, glutenfrei zu essen. Derentwegen verkaufen viele Supermärkte in New York unter anderem Mandelmehl.
Und das brauche ich. Ein bisschen für den Lebkuchen, ganz viel für die Zimtsterne. Die mache ich nach einem Rezept von Brigitte Online – und gebe recht: Es braucht ordentlich Mandelmehl, bis der Teig nicht mehr klebt, aber er lässt sich superleicht ausrollen und ausstechen nach fünf Stunden im Kühlschrank.
Zurück zu den Lebkuchen. Für sie habe ich mir ein Rezept von einem gewissen “romazotti” ausgesucht, das klappt hervorragend. Meine Ergänzung: Ich war klug genug, mir vorher einen Mehlberg in einem Gefäß bereitszustellen, aus dem ich das Roggenmehl auch mit teigigen Fingern leicht nachschütten konnte.
Da meine Wohnung eine typische New York-Größe hat (winzig!), steht in meiner Küche keine dieser riesigen, leistungsstarken Küchenmaschinen mit ihren Knethaken herum. Und deshalb kommt ihr jetzt in den Genuss des archaischen Wissens: Man kann einen großen, schweren Lebkuchenteig mit blanker Muskelkraft herstellen. Ich empfehle, so lange wie möglich mit einem Löffel zu arbeiten – es hat was von Küchen-Zen.
Zwei Tage ruht dieser Teig im Kühlschrank. Am Abend vor dem Bake-Off bereite ich dann auch den Teig für die Christmas Sugar Cookies vor – nach einem Rezept von Lynn Krikorian. Ich finde es ganz einfach, abgesehen von der Vanille ist ja eigentlich nichts Besonderes drin. Auch dieser Teig lässt sich super mit Löffel + Knethänden bewerkstelligen.
Den Bake-Off beginne ich aber mit dem, was mir am anstrengendsten erscheint: Lebkuchen. Außerdem brauchen sowohl Lebkuchen als auch die Christmas Sugar Cookies eine höhere Temperatur als die Zimtsterne. Also los, Lebkuchen ausrollen.
Daür niste ich mich in der Küche meiner Freunde ein – sie haben den größeren Ofen, in den logischerweise ein Blech in annehmbarer Größe passt (ja, Leute, das sind Probleme, die kennen wohl auch nur New Yorker) und im Esszimmer außerdem einen schön großen Tisch, auf dem ich mich ausbreiten kann.
(An dieser Stelle dürft ihr euch gerne vorstellen, wie ich mit drei Teigplatten plus Nudelholz und so weiter eine Stunde lang mit der U-Bahn durch New York gegondelt bin – wer hätte gedacht, dass pfundweise Mehl, Mandeln und Zucker tatsächlich schwer wiegen?)
Der Lebkuchenteig kommt erst mal nicht so recht ins Rollen. Ich kann mein Publikum so gerade davon abhalten, Fotos von meinem Gesicht zu machen, während ich mich aufs Nudelholz stemme. Wenn ihr das Rezept auch probiert: Nicht verzweifeln, der Teig ist wirklich nur im ersten Moment so störrisch. Ich bin allerdings sehr froh, dass ich ihn vor dem Kühlschrankaufenthalt nicht etwa zu einer Kugel geformt habe, sondern zu einem flachen Rechteck.
Jetzt geht es ans Ausstechen. Und was ist das? Etwa der berühmte, ähm, Weihnachtsbusch? Nein, das ist …
Die Lebkuchen gehen doll auf und riechen herrlich. In meiner Nase liegen die deutschen Weihnachtskekse beim Bake-Off vorn. Und nur keine Müdigkeit vorschützen, jetzt sind die Christmas Sugar Cookies dran.
Der Teig ist viel heller, weil da weder ein halbes Pfund Honig noch Roggenmehl drin ist. Und weil das ja nun die Ausgabe “Weihnachtskekse: Deutschland vs. USA” ist, habe ich mir von der am besten ausgestatteten Freundin der Welt noch eine weitere Ausstechform ausgeliehen.
Ihr ahnt es schon. Das ist die passende Form für den amerikanischen Keksvertreter im German-American Christmas Cookie Bake-Off.
So. wie ihr seht, sind Christmas Sugar Cookies ohne Verzierung nicht fertig. So gar nicht. Bei den Lebkuchen verzichte ich am Ende auf Pünktchen oder Linien aus Zuckerguss, aber diese leicht mürben, hellen Weihnachtsplätzchen sollen die passende Form bekommen. Schließlich ist Weihnachten in New York in erster Linie … fröhlich und bunt.
Dieser Schritt bringt mir beim Küchenverleiherpublikum nun endgültig den Titel “Zuckerbäckerin” ein. Die amerikanische Seite dieses Weihnachtskeks-Tests ist von allen drei Sorten begeistert. Die Christmas Sugar Cookies sind genau so, wie sie sein sollen (ich sach ja, Zuckerbäckerin!), und die Lebkuchen und die Zimtsterne schmecken mindestens so gut, wie sie duften.
Ergebnis: Auf dem bunten Teller kommen Deutschland und die USA prima miteinander aus. Allerdings werden sie in meiner Obhut nicht allzulange hübsch anzuschauen sein. Mir schmeckt’s!
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