Licht-Türme

Jemand hat mir geschrieben, morgen komme die Stadt doch sicherlich einem Ausnahmezustand gleich. Und ich sei da sicherlich den ganzen Tag unterwegs. Nun: Erstens beliefere ich keine Nachrichtenagenturen, muss also kein Material von den Gedenkfeiern zum 11. September anschleppen. Und zweitens passieren die spannenden Dinge in New York oft am Rand. Heute zum Beispiel. Die Antennen der Ü-Wagen überragen sich jetzt schon gegenseitig. Sie sind trotzdem ein Fliegenschiss gegen die beiden Lichtstrahlen, die die Lücke symbolisieren sollen, in der einmal die World Trade Center-Türme die Skyline ausfüllten (die allerdings nicht aus deren Fundamenten strahlen). Die…

Keine Kunst

Ich weiß nicht, was passiert ist. Eigentlich sollte es schon im Juni fertig sein. Aber als ich jetzt nach Red Hook fahre, um mir das Ergebnis anzuschauen, hängt an dem leerstehenden Bau schwarzes Netz neben bröckelnder Verzierung. Oder habe ich die Häuser verwechselt? Als in Red Hook noch das Hafengeschäft florierte, war die New York Dock Company in riesigen Zwillingsgebäuden untergebracht. Ihr gehörte ein großer Teil der Gebäude am Hafen in Brooklyn. Jetzt will das Auktionshaus Christie’s hier Kunstwerke lagern – und obwohl es als Speicher konstruiert ist, braucht das Haus Klimakontrolle und moderne Sicherheitstechnik…

Ein Blick kann reichen

Wir haben nicht viel Zeit. Eine meiner ehemaligen Studentinnen hatte sich entschlossen, nach dem Studium für ein Jahr als Au-Pair in die USA zu gehen, und am Montag begann ihre Schulung in einem Hotel in New Jersey. Erst sieht es so aus, als müsste ich sie dort treffen, aber dann gehört sie doch zu den Auserwählten, die am Abend kurz nach New York City fahren dürfen. Für eine Stadtführung reicht die Zeit nicht im Ansatz, und ich bin schon ganz geknickt und besorgt. Aber sie und ihre beiden Kurskolleginnen sagen hinterher: Darauf wären wir nie…

Wellenbrecher

Ich frage mich, ob Architekten in ihren Modellen immer nur den eigenen Bau im Blick haben. In Manhattan wäre das nämlich keine gute Idee; hier setzt man einen neuen Wolkenkratzer oben auf ein altes Gebäude oder in eine Lücke, für die ein altes Gebäude weichen musste. Auf jeden Fall muss man mit Häusern drumherum rechnen. Nun ist ja The Beekman fast fertig, und dessen Architekt Frank O. Gehry hat genug Erfahrung. Deshalb nehme ich an, es ist Absicht. Irgendetwas, für dessen tieferes Verständnis mir die Einsicht fehlt. Aber während ich jetzt ohne klugen Architekturwelterklärer daran…

Für Postkarten bitte umdrehen

Les Claypool hat schon so einiges gesehen. Schließlich ist er als Sänger und Bassist der Band Primus weit herumgekommen. Aber das hier veranlasst ihn zunächst zu einem Kompliment für den Veranstaltungsort (Williamsburg Waterfront in Brooklyn), und er bekundet sein Bedauern, dass das Publikum nur den beeinträchtigten Ausblick bekommt, während er ein Postkartenbild sehen kann. Na, wenn es langweilig würde, könnten wir uns ja umdrehen. Es wird aber nicht langweilig. Eine Weile später ruft er in einen Song hinein: “Schaut euch das an! Das ist fantastisch! So etwas kriegen wir in Kalifornien nicht zu sehen.” Tatsächlich…

Im Rampenlicht

Dieses Schild hat mehrere Bedeutungen. Erstens versucht da offenbar jemand beinahe verzweifelt, die Trockenblumenarrangements zu schützen. Vielleicht will die ja einer kaufen. Zweitens kann man die Botschaft aber auch auf das Gebäude beziehen. Es war einmal eine Kirche. Ab 1983 war es eine Disco (damals hieß das noch so). Als ich zum ersten Mal in New York war, war sie schon ein heißbegehrter Club, aber bei der New Yorker Altersbeschränkung brauchte ich gar nicht erst zu versuchen, hineinzukommen. Lange Jahre war The Limelight eine Institution – bald auch als Drogenumschlagsplatz, was der Film “Party Monster”…

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Überall haben sie sich versammelt wie hier in Tudor City und drängeln sich mit ihren Kameras. Das Fernsehen ist auch da. Heute (und gestern) ist Manhattanhenge. Wenn die Sonne untergeht, tut sie das in genau dem Winkel, der es so aussehen lässt, als ginge sie in der Häuserschlucht zwischen den Wolkenkratzern unter, als liefen ihre Strahlen golden bis zum East River. Das liegt zu einem Großteil an der natürlichen Lage der Insel. Wäre das Straßengitter von Westen nach Osten nur ein paar Grad anders angeordnet, würde es diese Stonehenge-artigen Momente hier niemals geben. Ein Historiker…