Großes Kino

Vom heutigen Moment habe ich kein Bild. Ich sehe einen Film, “The Dish and The Spoon” von Alison Bagnall. Gerade kommt darin einer dieser Momente der Stille, die alles sagen. Da nehme ich schräg über mir eine Bewegung wahr. Eine dünne, rote Plastiktüte fliegt über unsere Köpfe hinweg, als sei der Film nicht nur plötzlich 3D geworden, sondern real. Das kommt davon, wenn man nicht ins Kino geht, sondern aufs Dach steigt. Vorhin, als ich die letzten Stufen geschafft hatte, standen da vier Frauen, die gejubelt und geklatscht haben. Für jeden, der oben angekommen ist….

Fragengewitter

Für den dritten Teil müssen wir alle aufstehen. Wir werden “Q+A” von Darren O’Donnell erleben, und das kann man nur erleben, wenn man mitmacht. Ross Simononi liest Anweisungen vor. “Setz dich, wenn du mehr als drei Sprachen fließend sprichst.” – “Setz dich, wenn du öffentlich zugibst, dass du gern deine eigenen Fürze riechst.” – “Setz dich, wenn du noch nie Fleisch probiert hast.” Und so weiter. Wir stehen (oder setzen uns) in der berühmten New York Public Library, die gerade ihr Hundertjähriges feiert. Ich habe mich so gefreut, herzukommen. Einmal abgesehen davon, dass es hier…

Charakterfrage

Das ist mir schon lange nicht mehr passiert: Ich ließ meine Kamera zu Hause liegen. Nun denn. R. hatte mir Bescheid gegeben, dass Stephanie Dodd mit ihrem Stück “Hollow” (dessen ersten Teil wir uns im Herbst angeschaut hatten) jetzt so weit ist, dass wir uns eine Lesung anschauen können. Ich muss einfach wissen, wie die Geschichte weitergeht. Wir haben beide eigentlich gar keine Zeit, schaffen es aber dann doch auf den letzten Drücker ins Abingdon Theatre. Die New Yorker nehmen diese “Work in Progress”-Veranstaltungen oft beim Wort, und so steht auch hier bereits vorher fest,…

Stille Post

Ich warte auf die Fahne. Mit der Fahne kommen die Worte, die mir Paul zuflüstern wird und die ich der Frau hinter mir sagen soll. Sie kommen von Lama Pema Wangdak, und wenn wir alle sie weitergesagt haben, kommen sie bei Salman Rushdie an. Wir sind eine Karmakette, und ich habe Glück: Ich bin ein Stück vor Nummer 200 in der Schlange im High Line Park, und damit stehe ich in einem sonnigen Abschnitt. Was wir weitersagen, kommt in drei Teilen, begleitet von drei Fahnenträgern. Nachdem alle Fahnen vorbeigezogen sind, kommt der Lama. Je nachdem,…

Das rote Klavier

Ein Klavier, ein Klavier! Nein, Loriot flimmert mir nicht über den Bildschirm. Ich schaue auf gar keinen Bildschirm. Sondern da steht ein Klavier, es entgeht mir beinahe, so eingezwängt zwischen dem Terrarium mit dem reglosen Reptil und dem Regal voller Kinderbücher. Hier könnten Freunde von mir wohnen. Auf ihre Terrasse hinten wäre ich dann heimlich neidisch. Aber hier wohnt überhaupt niemand. Außer der Echse. Der Community Bookstore in Park Slope nimmt bloß seinen Namen ernst. Hier kann man sich aufs Sofa setzen und sich unterhalten (mach ich auch glatt). Oder man setzt sich ans Klavier….

Achselzucken in Europa

Das Problem sind nicht Schwierigkeiten, die einem jemand bewusst in den Weg legt. Absagen, Verbote, die Feindseligkeiten. Wenn etwas die Arbeit behindert hat, dann war es Gleichgültigkeit. Mila Turajlic hat mehrere Jahre lang an “Cinema Komunisto”, einem Film über die jugoslawische Filmindustrie gearbeitet. Deshalb hat ihr in Serbien niemand Ärger gemacht. Aber viele ihrer Briefe, in denen sie fragte, ob sie hier ein paar Stunden drehen oder dort ein Archiv einsehen darf, blieben unbeantwortet.

Bedeutungswechsel

Das sieht jetzt ganz anders aus als vor drei Monaten. Ich jedenfalls zucke zusammen, als ich dran vorbeikomme. Die Ausstellung, auf die das Plakat an der New York Public Library hinweist, dreht sich um Marie und Pierre Curie. Morgen geht sie zu Ende. Wär schön, wenn das mit dem Drama in Japan auch so wäre.