Ehe die Blätter fallen

Ich sehe einen Silberstreifen am Horizont.

Ja. Genau. Da kommt der Schnee. Der weiße Tod.

Ein Raunen geht durch den Blätterwald.

Weißt du noch, wie wir platzen wollten vor Freude? Ach, damals …

Haben wir doch getan. Diese Energie!

Ich habe mich mein ganzes Leben lang nach oben orientiert. Das war gut.

Ja. Und die Sonne hat uns da oben so viel Licht geschenkt. Einfach so.

Weil wir gewachsen sind. Und wir sind gewachsen, weil die Sonne …

In der Ferne schwebt ein Blatt zu Boden.

Die da hinten haben aufgehört zu wachsen.

Für uns ist es auch an der Zeit. Bald kommt der Schnee. Und danach sind andere Knospen dran.

Hast du gar keine Angst vor dem Fallen?

Nein.

Es dämmert. Irgendwo ruft jemand. Ein Hund fegt über den Weg.

Ich bin vorbereitet. Ich spüre den Saft in meinen Adern. Jeden Tropfen sammle ich.

Wofür denn?

Fürs Fallen.

Du wirst ja ganz gelb. orange. Rot!

Wenn ich gehe, dann mit Pauken und Trompeten. Das schönste Blatt, das jemals fiel.

Und ich nehme die Sonnenstrahlen mit.

Schwarze Nacht schmiegt sich an die Bäume. Für einen Moment kehrt Stille ein.

Ist es soweit?

Noch fallen wir nicht. Noch ist der Schnee uns fern. Noch können wir leben, als gäbe es kein Morgen.

Lass uns noch mal alles geben. So wie damals, als wir Knospen waren und vor Freude platzten. Nur bunter.