Amazon, Sirenenklänge, ein drohender Streik: Die News aus New York bieten derzeit jede Menge Holz für hitzige Diskussionen (das ist kein schiefes Bild, eben jenes Holz hauen sie sich doch beim Diskutieren gegenseitig vor die Omme!). Aus gegebenem Anlass bekommt Amazon diesmal besonders viel Raum. Der Anlass lautet: Das Thema ist zu komplex für nur einen Absatz, und gerade das ist wiederum das Thema in meiner Zusammenfassung der News. Danach geht’s dann gewohnt kurz und knapp weiter.

Amazon zieht Pläne für Firmensitz in New York zurück

Angesichts dieser Schlagzeile kamen die Meinungsbeiträge schneller als die Analysen, und die Berichte über Amazons HQ2 – mehr darüber findet ihr in der Apfelpresse vom 22. November und in meinem Beitrag über das anvisierte Baugelände für Amazon HQ2 – kleben eng an der offiziellen Mitteilung des Megakonzerns.

Amazon sagt (von mir übersetzt): “Eine Reihe lokaler und regionaler PolitikerInnen hat verdeutlicht, dass sie etwas gegen unsere Anwesenheit hat und nicht mit uns an der für die Umsetzung benötigten Art von Beziehungen arbeiten wird.”

Viele Presseberichte folgen exakt der Konzern-PR: Ein Deal zwischen Amazon und Bundesstaat und Stadt New York (eingefädelt vom Bürgermeister und Gouverneur) sei auf öffentliche Proteste und Widerstand unter örtlichen PolitikerInnen gestoßen – und jetzt vom Tisch.

Tatsächlich gab es Gegenwind in Form von Fragen, Kritik und Protesten. Da fehlt aber was. So einiges sogar. Allem voran ein Hinweis darauf, dass Amazon in New York nach der Devise “my way or the highway” vorging – und keinerlei Anstalten machte, den KritikerInnen in dem einen oder anderen Punkt Gehör zu schenken oder gar entgegenzukommen.

So hatten etwa mehrere Gewerkschaften dem Amazon-Deal ihre Zustimmung signalisiert, sofern der Konzern verspreche, in New York nicht aktiv gegen eine gewerkschaftliche Organisation der MitarbeiterInnen vorzugehen. Darauf würde man sich nicht einlassen, sagte ein Amazon-Vertreter dezidiert während einer Anhörung in New York im Januar 2019. Und am Mittwoch hatte New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo ein Treffen von Amazon und mehreren Gewerkschaften vermittelt, von dem GewerkschaftlerInnen berichteten, Amazon sei in keinem Punkt kompromissbereit. Es solle weitere Gespräche geben. Das dachten allerdings nur die Gewerkschaften. Unterdessen entschied Amazon das Aus und teilte Selbiges dem Gouverneur und dem New Yorker Bürgermeister erst kurz vor der öffentlichen Bekanntgabe mit.

Während nun Trilliarden Leitartikel und Kommentare, Promi-Reaktionen, Bezos-Witze und Bonmots durch den Äther schwappen, entsteht am Rande der öffentlichen Aufmerksamkeit ein Gesetzesentwurf: Aus der Kritik an einem drei Milliarden Dollar dicken Steuergeschenk für Amazon ist eine Initiative geworden, solche speziell auf eine Firma zugeschnittenen Angebote zu unterbinden – und sich bei diesem Vorhaben mit anderen Bundesstaaten zusammenzutun.

(Überblicksartikel in der “New York” Times” lesen; über das Verhältnis von Amazon zu Gewerkschaften und Mitbestimmung berichtete “Politico New York” bereits Ende Januar; einen Bericht über Gesetzesvorhaben gegen Spezialsteuergeschenke bei “City Lab” nachlesen; Amazons Statement bei “Entrepreneur” nachlesen)

Streik im Krankenhaus?

Tausende Krankenschwestern und -pfleger haben am Mittwoch vor 13 Krankenhäusern in New York Stellung bezogen. Sie fordern nicht nur eine bessere Bezahlung, sondern auch mehr KollegInnen: Das Zahlenverhältnis zwischen Pflegepersonal und PatientInnen mache vielerorts eine angemessene Versorgung unmöglich. Der Protest bringt Aufmerksamkeit für Berichte aus mehreren Krankenhäusern, die auf prekäre Situationen für Personal und PatientInnen hinweisen. Der Protest war ein “informativer Warnstreik”. Sollte das Pflegepersonal für einen Streik stimmen, könnten 13.000 Pflegekräfte den New Yorker Krankenhäusern fernbleiben.

(Bericht bei Bushwick Daily lesen oder bei “Brooklyn 12” ein Video schauen; Daten zu den kritisierten Missständen gibt es in der offiziellen Mitteilung der regionalen Pflegekraftvereinigung New York State Nurses Association)

Neuer Sound für New York: Tatütata!

Die Sirenen der Krankenwagen und Polizeiautos gehören zu New York wie das Empire State Building und Pizza mit dünnem Boden. Doch plötzlich hinterfragen zwei Politikerinnen diesen Klang. Sie plädieren auf etwas, das angenehmer in den Ohren klingt – und führen Europa als Vorbild an. Dieser Nachricht füge ich eine persönliche Note hinzu: Das Mount Sinai-Krankenhaus hat seine ambulances bereits testweise mit einem Klang ähnlich der deutschen Sirenen ausgestattet, allerdings an das New Yorker Lautstärkeniveau angepasst – es ist die einzige Sirene, die mich aus dem Schlaf schreckt.

(Nachlesen und Beispiele New Yorker Sirenenvarianten anhören beim Gothamist; die testweise eingeführte “hi-lo siren” könnt ihr in diesem Youtube-Video anhören)

Luxusprobleme: Pyjamaparty in bester Lage

Luxusimmobilien schießen in New York wie Pilze aus dem Boden – aber sie füllen sich nicht immer wie von den ImmobilienspekulantInnen vorgesehen. Deshalb haben die BesitzerInnen eines 28-stöckigen Luxusobjekts in Brooklyn umdisponiert: Sie vermieten ein leerstehendes Drittel an StudentInnen, die jeweils zu viert in Zweizimmerwohnungen leben. Zum Entsetzen anderer MieterInnen, die im als “familienfreundlich” vermarkteten Haus Tausende Dollar Miete hinblättern, rennen die StudentInnen im Schlafanzug durch den Flur und blockieren den Fahrstuhl mit gegenseitigen Besuchen auf diversen Stockwerken. Die BewohnerInnen eines anderen Wolkenkratzers haben ähnliche Sorgen: In einer seiner leerstehenden Luxuswohnungen finden Parties für die Superreichen statt. Der Markt regelt Probleme also durchaus schon von ganz alleine – nur nicht immer zur Freude aller Beteiligten.

(Nachlesen beim Bklyner)

Broadway-Debüt mit 100 Jahren

Beharrlich hat Paul Kane an seinem Traum festgehalten, auch wenn sein Vater ihn gehörig mit Geschichten vom Hungertuch geschockt hatte. Jahrzehntelang arbeitete er als Lehrer in New York, aber nebenher und auch nach der Pensionierung blieb er dran am Schreiben. Nun kam ein Stück auf die Bühne, das er mit 99 geschrieben hatte – während der Aufführungszeit wurde Kane 100. Und, klar: Er sitzt längst am nächsten Stück.

(Video anschauen bei CBS)