Charakterfrage

Das ist mir schon lange nicht mehr passiert: Ich ließ meine Kamera zu Hause liegen. Nun denn. R. hatte mir Bescheid gegeben, dass Stephanie Dodd mit ihrem Stück “Hollow” (dessen ersten Teil wir uns im Herbst angeschaut hatten) jetzt so weit ist, dass wir uns eine Lesung anschauen können. Ich muss einfach wissen, wie die Geschichte weitergeht. Wir haben beide eigentlich gar keine Zeit, schaffen es aber dann doch auf den letzten Drücker ins Abingdon Theatre. Die New Yorker nehmen diese “Work in Progress”-Veranstaltungen oft beim Wort, und so steht auch hier bereits vorher fest,…

U-Bahn-Kunst: Viehzeug

Manchmal muss man schon sehr genau hinschauen, um die Kunst zu entdecken. Aber keine Bange, drauftreten ist okay. Das Arts For Transit Collaborative hat sich eben mit “For Want of a Nail” über die gesamte Station ausgebreitet. Ihr Werk ist so eine Art Wegweiser. Oben an der 81st Street Station wartet das American Museum of Natural History, und dessen Bandbreite zeigen die Künstler hier mit unterschiedlichen Materialien. Nicht erschrecken!

Abschied in der Galerie

Die meisten Leute fangen an zu wispern, kaum dass sie ein Museum betreten haben. In einer Galerie ist es lockerer, aber auch hier gibt es nur eine gewisse Bandbreite an Verhaltensweisen. Dachte ich. Da sind die tiefsinnigen, ironischen oder angeberischen, halblauten Konversationen unter Kennern, die Hallos innerhalb dieser oder jener Szene, die ganz leicht unentspannten Gespräche mit der Künstlerin oder dem Künstler, manchmal schauen die Leute genervt oder geschockt drein, manchmal lacht tatsächlich jemand. Aber noch niemals habe ich erlebt, dass jemand weint. Bis jetzt. Die rumänische Künstlerin Ioana Nemes war Artist in Residence bei…

Lobbyisten im Museum

… und dann kam die Wirtschaftskrise. So laufen die Geschichten heute. Carmen erzählt uns, wie das Bronx Museum sich entwickelt hat, wo es begann, wie es wuchs, und dann, nun ja. Aber manche Kunsthorte haben noch Platz für kreative Lösungen. Das Museum gab eine Arbeit in Auftrag, die mit eben jener Krise und ihren Auswirkungen zu tun haben sollte. Sie steht jetzt in der Lobby. “Die Kinder können es gar nicht fassen, dass sie das anfassen dürfen”, sagt Carmen, und wir gehen jetzt auch mal näher ran, um verstohlen zu fühlen, aus welchem Material das…

Stille Post

Ich warte auf die Fahne. Mit der Fahne kommen die Worte, die mir Paul zuflüstern wird und die ich der Frau hinter mir sagen soll. Sie kommen von Lama Pema Wangdak, und wenn wir alle sie weitergesagt haben, kommen sie bei Salman Rushdie an. Wir sind eine Karmakette, und ich habe Glück: Ich bin ein Stück vor Nummer 200 in der Schlange im High Line Park, und damit stehe ich in einem sonnigen Abschnitt. Was wir weitersagen, kommt in drei Teilen, begleitet von drei Fahnenträgern. Nachdem alle Fahnen vorbeigezogen sind, kommt der Lama. Je nachdem,…

Das rote Klavier

Ein Klavier, ein Klavier! Nein, Loriot flimmert mir nicht über den Bildschirm. Ich schaue auf gar keinen Bildschirm. Sondern da steht ein Klavier, es entgeht mir beinahe, so eingezwängt zwischen dem Terrarium mit dem reglosen Reptil und dem Regal voller Kinderbücher. Hier könnten Freunde von mir wohnen. Auf ihre Terrasse hinten wäre ich dann heimlich neidisch. Aber hier wohnt überhaupt niemand. Außer der Echse. Der Community Bookstore in Park Slope nimmt bloß seinen Namen ernst. Hier kann man sich aufs Sofa setzen und sich unterhalten (mach ich auch glatt). Oder man setzt sich ans Klavier….

U-Bahn-Kunst: Müllbeutel

Ha! Ich sehe es und denke an meine Serie über  New Yorker Müll. Daraus baue ich doch gleich eine neue Reihe. Diesen Müllmann hier treffe ich nämlich in der U-Bahn. Die Pleitestadt New York und ihre angeschlagenen Verkehrsbetriebe mögen zwar vielleicht mit fünfzig Jahre alten U-Bahn-Signalen wirtschaften. Aber sie geben auch Künstlern den Auftrag, sich etwas zu einer U-Bahn-Haltestelle auszudenken. Hier, unter der Prince Street, waren Janet Zweig und Edward del Rosario am Werk. Der Müllmann ist nur eine von vielen Figuren in der Wand. Sie haben nicht den Großstadtdreck gemeinsam, sondern das Handeln: “Carrying…