Die Bronx hat ein schlechtes Image. Der einzige New Yorker Stadtbezirk, der auf dem Festland liegt, steht in der Vorstellungswelt für Armut und Gefahr. Tatsächlich liegen die ärmsten Postleitzahl-Regionen des ganzen Landes in der Bronx, und es gibt dort unheimliche Gegenden, in denen man sich nicht verlaufen möchte. Gleichzeitig braucht man sich die Bahn am in der Bronx gelegenen Yankee Stadium aber nicht mit Hooligans zu teilen – wie ich es aus meiner Heimat kenne – und in der Bronx liegen auch der wunderschöne Botanische Garten mit seinen Sommer-Kunstausstellungen und Winter-Holiday Trains, ein familienfreundlicher Strand, das “wahre” Little Italy und eine Uni mit einer Hall of Fame für die geistige Elite des Landes. Und dann ist da noch Wave Hill.
Wenn man von der Bus- oder Bahnhaltestelle aus auf dem Weg nach Wave Hill durch ein Viertel namens Riverdale läuft, passt das schon nicht zum Bronx-Image. Lauter Villen! Zu Wave Hill passt das aber prima. Da hatte sich Mitte des 19. Jahrhunderts ein wohlhabender Anwalt sein Landhaus hingebaut, so wie man das damals machte, wenn man es sich leisten konnte, im Sommer oder an den Wochenenden dem Trubel Manhattans zu entrinnen.
Das Gelände dafür thront über dem Hudson, mit Blick auf die Palisades gegenüber in New Jersey – eine bewaldete Steilklippenlandschaft, die der Naturwissenschaftler Thomas Henry Huxley zu den Weltwundern gezählt sehen wollte. Praktischerweise muss ich im Gegensatz zu diesem Herrn keine reichen Leute kennen, um das zu sehen: Wave Hill ist inzwischen ein Park. Und an einem Aussichtspunkt stehen Stühle und Bänke unter einer schattenspendenden Pergola – so lässt es sich aushalten!
Von der Café-Terrasse des ehemaligen Gutshauses, das seinen Saal heute oft für Hochzeitsgesellschaften schmückt, kann man den Hudson River vor lauter Bäumen nicht sehen. Aber ich fahre im Sommer ohnehin aus einem anderen Grund nach Wave Hill: Blumen.
Schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte der damalige Besitzer, der Banker George W. Perkins, Gewächshäuser gebaut und Gärten angelegt. Als seine Familie das Gelände der Stadt New York in den 1960er Jahren schenkte, formierte sich bald ein Verein, der die friedliche Stimmung dieser grünen Oase bewahren sollte – mit einer Mischung aus Grünzeug, Kunst und Umweltbildung tut er das heute noch.
Bei meinem Besuch neulich habe ich zwei Überraschungen erlebt, und beide haben mit Buchstaben zu tun. Erst einmal habe ich Pflanzenraten in den abgezirkelten Beeten des Herb & Dry Garden gespielt.
Bei Kräutern und Co. leide ich unter einer Art Synapsenkurzschluss; manche Namen weiß ich immer noch nur auf Deutsch, obwohl ich sie schon zig Mal nachgeschlagen habe, andere kenne ich nur auf Englisch. Vor allem aber beharren die lateinischen Namen in meinem Kopf auf eine Aussprache wie aus dem Lateinunterricht – und nicht etwa so, wie Amis das sagen … So werde ich wohl nie horticulturist werden.
Nach dem Namensspiel gehe ich ins Gewächshaus zu den Sukkulenten, und da wartet Überraschung Nummer Eins. Verbotsschilder in den USA erscheinen mir auch nach Jahren noch kreativer als anderswo, und wenn du denkst, du kennst sie alle … fällt dein Blick auf so was:
Draußen fallen mir aus unerfindlichen Gründen fantasy teams ein, also diese Manie von Sportfans, sich ihre Traummannschaft zusammenzustellen, und schon versuche ich dasselbe mit den in meinen Augen schönsten Blumen in den Beeten.
Das ist allerdings schwierig, weil ich die allermeisten von ihnen auch so schon zum Niederknien schön finde – und das Gartenteam von Wave Hill halt aus horticulturists besteht, die Beete mit Bedacht bestellen. Aber bei besagtem Niederknien (so was sag ich doch nicht einfach nur!) kommt Überraschung Nummer Zwei:
Das glaubt mir doch niemand aus dem Dreiländereck, wenn ich es nicht sofort festhalte!
Falls ihr auch einmal nach Wave Hill möchtet: Der Park liegt weit im Norden der Bronx, kurz vor der Stadtgrenze New Yorks an der West 249th Street Ecke Independence Avenue. Der Eintritt kostet normalerweise ca. 10 Dollar, es gibt aber in fast jeder Saison auch Gratis-Termine (zu denen es dann natürlich voller ist). Details und Anfahrtstipps findet ihr auf der Website.
Kai
Juli 4
Mit der Bronx, die wir aus Filmen kennen, hat das wirklich nichts zu tun.
Petrina Engelke
Juli 4
Allerdings, Kai! Auch wenn es dort durchaus soziale Brennpunkte gibt, ist das eben längst nicht alles. Vielleicht mache ich zum Herbst hin (wenn die Bäume bunt sind) noch mal etwas über Riverdale und seine Villen.
Jürgen F.H. Lideck
Juli 7
Sehr schön, liebe Kommilitonin!
Herzliche Grüße aus Essen-Steele
Jürgen
Petrina Engelke
Juli 7
Danke, Jürgen – freut mich, dass so was auch bei dir da drüben gut ankommt. :-)