In Teil 1 dieser bittersüßen Kunst-Geschichte ging es um den Ort: Die Domino Sugar Factory steht seit Jahren leer – und jetzt macht die amerikanische Künstlerin Kara Walker die Geister der alten Zuckerraffinerie sichtbar. “A Subtlety or the Marvelous Sugar Baby” ist eigentlich nur der Kurztitel für dieses Spektakel in Brooklyn, eben jenes “sugar baby” bilden aber alle ab, die über die Ausstellung berichten. Da schließe ich mich an.
Volle Lippen, geknotetes Kopftuch: Diese gigantische Frau verkörpert mehr als ein Vorurteil über schwarze Frauen – aber hier ist sie weiß. Wie kommt’s?
Sie ist ein wahres “sugar baby”. Ja, das ist echter Zucker. Und ein bisschen feucht ist es hier drinnen auch (siehe “Bittersüße New York-Geschichte, Teil 1“). Deshalb laufen klebrige Rinnsale an der Skulptur entlang, die insgesamt ungefähr zehn Meter hoch in die Halle ragt.
Hier geht es eben auch um die Geschichte des Orts – Zucker hat jede Menge mit Sklavenarbeit und einer dazu passenden Weltsicht zu tun. “Zucker wird überhaupt nur raffiniert, um ihn weiß zu machen”, sagt die Künstlerin in einem Interview mit Time Out New York.
Rassismus ist ohnehin ein großes Thema von Kara Walker. Die Schattenseiten der amerikanischen Geschichte etwa setzte sie seit Beginn des Jahrtausends mit filigranen Scherenschnitten um – und versteckt damit brutale Gewalt in vermeintlichen Kinderbuchszenen. Zu ihrer ersten ortsbezogenen Arbeit schreibt sie folgende Worte, die auch am Eingang der Ausstellung in Brooklyn zu lesen sind:
At the behest of Creative Time Kara E. Walker has confected:
or the Marvelous Sugar Baby
an Homage to the unpaid and overworked Artisans who have refined our Sweet tastes from the cane fields to the Kitchens of the New World on the Occasion of the demolition of the Domino Sugar Refining Plant
Das riesige Sugar Baby, das alle Medien als Motiv sofort aufgreifen, steht erst am Ende der langgestrecken Raffineriehalle. Es lohnt sich, einmal um sie herumzugehen – und sich weitere, beinahe kugelrunde Klischeevorstellungen um die Ohren hauen zu lassen.
Das funktioniert, viele Leute kommen hier ins Gespräch. Mich wundert allerdings, dass so viele von ihren genau hinter dem Hintern stehen bleiben. Da sieht man auch noch etwas zum Thema sexuelle Verfügbarkeit, das ich hier nicht so explizit zeigen möchte. Die Fantasie lässt sich ja auch aus dieser Perspektive anregen.
Die riesige weiße Schwarze ist nicht allein. Auch wenn diese Sphinx den Raum regiert. Auf dem Weg ans Ende der Halle riecht man nicht nur Zucker, sondern es stehen auch weitere Skulpturen im Raum verteilt – herrlicherweise ohne Absperrband, ganz so, als würden sie hier bloß arbeiten.
Lebensgroße Kinder aus Zucker (beziehungsweise Melasse)! Wer sich an Kitschfiguren als Kolonialzeiten erinnert fühlt, liegt ungefähr richtig, was die Inspiration angeht.
Aber außerdem haben solche Kinder ja tatsächlich mit Zucker schwer zu schaffen gehabt.
Und was hat der kleine Kerl da in seiner Kiepe? Na was wohl. Zucker. In allen möglichen Verarbeitungsstufen.
Kara Walker: A Sublety, Domino Sugar Factory, South 1st Street Ecke Kent Avenue in Williamsburg (Brooklyn). Bis zum 6.7. immer nur am Wochenende. Wartezeit einplanen!
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