Das ist die Peking. Wegen dieses Schiffes trampeln mir schon den ganzen Tag zwei Shanty-Chöre durch den Kopf und singen sich die Matrosenhüte von den Köpfen: “Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn” und “Junge, komm bald wieder”. Schließlich ist die Peking ein Viermaster aus Hamburg – und kehrt bald dorthin zurück. Das hat allerdings lange gedauert.

Die Peking und New York

Noch liegt die Viermast-Stahlbark Peking am Pier 16 in New York. Ihre Masten sieht man aus Hochhausfenstern, von der Stadtautobahn, von vielen Fähren aus, sogar von drüben aus dem Brooklyn Bridge Park auf der anderen Seite des East River. Anfangs dachte ich, die Peking sei eins der historischen Handelsschiffe, die früher tatsächlich in den South Street Seaport segelten. Erst im Bauch des Schiffs bemerke ich meinen Irrtum.

Dort hinein bringt mich eine Tour des South Street Seaport Museums, das die Peking als eines von mehreren Museumsschiffen an eben jenem Dock liegen hat. Das Museum hatte das Segelschiff aus Stahl Mitte der 70er Jahre vor der Verschrottung bewahrt und originalgetreu aufgeriggt. Zu ihren aktiven Zeiten hatte die Peking allerdings einen anderen Hafen als New York zum Ziel, und das hatte auch damit zu tun, wie schnell sie war.

Ein Viermaster aus Stahl (und aus Hamburg)

Die Peking wurde 1911 von der Hamburger Werft Blohm + Voss vom Stapel gelassen und segelte fortan für die so genannte P-Liner-Flotte der Reederei F. Laeisz – der Chef hatte halt alle seiner Stahlsegler auf einen Namen mit “P” getauft. Ich kann es ja irgendwie verstehen. ;-)

Damals waren diese Segelschiffe aus Stahl das modernste, was Schiffbauingenieure sich ausdenken konnten – im Schiffsbauch lerne ich jede Menge über die Vorzüge der Peking. Wer um die Jahrhundertwende nicht segelte, trieb sein Schiff mit Kohlekraft an. Aber Kohle wiegt schwer, und für eine Fahrt um die Spitze Südamerikas konnten die meisten Schiffe nicht genug Kraftstoff mitnehmen – sie brauchten ja auch noch Platz für die Ladung. Die üblichen Holz-Windjammer wiederum konnten in den Stürmen am Kap Hoorn verheerenden Schaden nehmen.

Mit dem Segelschiff um Kap Hoorn

Die Stahl-Segel-Kombination war deshalb für die Strecke vom Atlantik in den Pazifik ideal – robust und ohne Koksabhängigkeit. Keines der P-Liner-Schiffe kam dort je in Seenot. Eine Fahrt auf der Peking war dennoch alles andere als komfortabel, wie der enge Raum unter Deck erahnen lässt. Immerhin brachte ein Job auf dem Schiff den Seeleuten das Recht auf einen goldenen Ring im linken Ohr und einen Fuß auf dem Tisch ein.

Jenes waren die traditionellen Erkennungszeichen und Vorrechte derjenigen, die es lebend um Kap Hoorn herum vom 50. Breitengrad Süd auf der einen Seite Amerikas bis zum 50. Breitengrad Süd auf der anderen Seite schafften. Es gibt sogar einen Film namens “Around Cape Horn”, der 1929 auf der Peking gedreht wurde.

In nur etwas mehr als 70 Tagen segelte die Peking auf dieser Route von Hamburg nach Valparaiso in Chile, um dort Salpeter zu laden. Salpeter ist auch als Kaliumnitrat bekannt und ein Hauptbestandteil von Schwarzpulver. Heute wird es unter anderem auch in Dünger, als Pökelsalz oder als Zusatzstoff in Zahnpasta für schmerzempfindliche Zähne verwendet.

Wie die Peking nach New York kam

Nach wenigen Fahrten saß die Peking allerdings erst einmal fest. Der Erste Weltkrieg war ausgebrochen, und als deutsches Schiff wurde sie interniert. Nach dem Krieg kam sie als Reparationszahlung nach Italien, doch dort hatte man keine Verwendung für den Viermaster, und die Hamburger Reederei konnte sie zurückkaufen.

Doch diverse Erfindungen veränderten sowohl den Handel als auch die Schiffahrt – allem voran der Bau des Panamakanals, der der Peking einen wichtigen bisherigen Vorteil nahm, weil nun auch andere Schiffe recht schnell nach Chile kamen -, dann kam noch die Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren hinzu. Schließlich verkaufte Laeisz die Peking nach England, wo sie zum Schulschiff umgebaut und in Arethusa umbenannt wurde. In den 70er Jahren hatte sie auch dort ihre Schuldigkeit getan und stand vor der Verschrottung. Doch im Oktober 1974 kam die Rettung: Ein Kaffee- und Goldhändler kaufte das Schiff, um es zu verschenken.

Ein Seeschlepper zog den Rumpf des 115 Meter langen, 14,40 Meter breiten Stahlschiffs die Themse herunter und über den Atlantik. Die Peking sollte in New York zum Museumsschiff werden. Dort gab man ihr den ursprünglichen Namen zurück und pinselte ihr sogar den alten Heimathafen Hamburg ans Heck. Vom Aufbau der Masten und Takelage mal ganz zu schweigen.

Kurz vor der Verschrottung: Geldprobleme bedrohen die Peking

Hafenmuseen haben einen ganz besonderen Reiz – nennen wir es mal Hafenromantik. Doch sie haben auch ein besonderes Problem. Sie können ihre größten Ausstellungsstücke ja nicht in den üblichen Museumsbedingungen mit Klimakontrolle präsentieren, und Salzwasser, Wind und Wellen sind nicht gerade materialfreundlich. Da kommt man mit dem Warten, Reparieren und Austauschen kaum hinterher. Ab 2008 versuchte das Museum, die Peking zu verkaufen, fand aber keinen Käufer.

Parallel verhandelte derVerein “Freunde der Viermastbark Peking e.V.” mit dem Museum über eine Rückführung nach Hamburg und versuchte gleichzeitig, in Deutschland Geldgeber zu finden. Doch dazu mussten die Fans des Schiffs sehr dicke Bretter bohren. Und ihnen lief die Zeit davon: 2011 war die finanzielle Lage des South Street Seaport Museums in New York so prekär geworden, dass das Hafenmuseum seinen Bankrott erklären musste.

Zwar übernahm das Museum of the City of New York das Hafenmuseum, doch davon besserte sich nicht der Zustand seiner Schiffe. Zu allem Überfluss wütete im Herbst 2012 der Hurrikan Sandy in New York, überschwemmte die Räume des South Street Seaport Museums und richtete großen Schaden an. Im Jahr 2012 tauchten auch die ersten Gerüchte auf, das Museum wolle die Peking der Stadt Hamburg nicht mehr verkaufen, sondern schenken. Doch so ein Geschenk hätte seine Tücken.

Die Peking soll zurück nach Hamburg – aber wie?

Segel finden sich zwar noch an Deck, aber seetüchtig ist die Peking schon lange nicht mehr. Das braucht es gar keinen Sturm von Kap Horn-Format: Dieser Viermaster würde nicht einmal eine Hafenrundfahrt schaffen. Und das war gleich das nächste Problem: Hamburg hatte zwar Interesse an so einem tollen Museumsschiff und griff zu, aber es fehlte Geld für den Transport und die Restaurierung.

Als die Situation immer enger wurde und auch der Liegeplatz in New York vor der Kündigung stand, sprangen schließlich zwei Bundestagsabgeordnete in die Bresche. Sie machten Stimmung für ein neues Hafenmuseum und dessen Finanzierung, die auch ein Budget für Transport und Restaurierung der Peking einschließen sollte. Und das wird nun alles Wirklichkeit.

26 Millionen Euro hat der deutsche Staat für die Jahre 2016-1018 reserviert, um die Peking nach Hamburg zu holen und dort überholen zu lassen. Sie soll dann zum Wahrzeichen des geplanten Deutschen Hafenmuseums werden, und ab 2018 sollen dort dann wieder Besucherinnen wie ich über die Planken laufen. Vorher muss das Schiff aber erst einmal über den Atlantik.

In wenigen Tagen wird die Peking den Pier 16 verlassen und nach Staten Island gebracht. Dort müssen die Masten abgenommen werden, die jahrzehntelang jedem ins Auge fielen, der über den südlichen East River blickte.

Im Frühjahr 2017 wird die Peking dann in ihren Heimathafen reisen – in einem so genannten Dockschiff. Ein Schiff als Schiffsladung, so etwas ist selbst in New York nicht alltäglich. Am 6. September kann man der Peking frühmorgens zuwinken, wenn sie Richtung Staten Island aufbricht. Danach fiebert das Hafenmuseum der Rückkehr des Dreimasters Wavertree entgegen, der bereits restauriert wurde und als Museumsschiff in New York bleibt.

South Street Seaport Museum, 12 Fulton Street (Lower Manhattan), Öffnungszeiten und weitere Informationen auf der Website.